· 

Der alte Hase / The Old Rabbit

Auf einer Lichtung am Waldrand lebte ein alter Hase. In früheren Zeiten hatte er gern im hellen Mondschein getanzt, doch inzwischen war sein Fell grau geworden und seine Knochen schmerzten ihn. So hatte er das Tanzen aufgegeben. Wenn nun der Mond schien, setzte sich der alte Hase auf seine kleine Bank, ließ den Blick über die Welt schweifen und träumte von dem, was einmal gewesen war.

Tag für Tag ging der alte Hase in den Wald und versorgte die kleinen braunen Vögel mit Futter. Dann zwitscherten und tschilpten sie vor Freude. Ihr fröhlicher Gesang erinnerte den alten Hasen ans Tanzen und manchmal wiegte er sich ein wenig zu den Melodien.

Eines Morgens flatterte ein fremder Vogel mit leuchtend roter Brust in den Wald. "Was für ein niedliches kleines Rotkehlchen", lachte der alte Hase.

Eisige Herbststürme fegten über das Land und rissen die bunten Blätter von den Bäumen. Den Vögeln wurde kalt. Sie machten sich auf ihre lange Reise in den Süden und ihre Lieder klangen nach Abschied. "Ihr werdet mir fehlen", seufzte der alte Hase.

Plötzlich spitzte er die Ohren. Ein Lied! Ein fröhliches Lied ertönte aus dem Wald. Das war doch ein Vogel! Der alte Hase rannte, so schnell seine Beine ihn trugen, zur Tanne. Schon von Weitem leuchtete ihm die rote Brust des Rotkehlchens entgegen. Es trällerte ein Lied, das so warm klang wie der Sommer. "Mein Rotkehlchen", freute sich der alte Hase. "Du bist nicht weggeflogen!" Da sang das Rotkehlchen noch heller und fröhlicher. Dem alten Hasen zuckte es in den Beinen und er drehte sich vorsichtig im Tanz. "Du machst, dass sich ein alter Hase plötzlich wieder lebendig fühlt", lachte er.

Wieder ging er täglich in den Wald, doch nun, um dem Rotkehlchen Futter zu bringen und ein wenig zu seinem Gesang zu tanzen.

Mit dem Winter kam der Frost. Er gefror den Waldboden und fuhr dem alten Hasen in die Knochen, sodass das Gehen schwerfiel. So machten sie es umgekehrt: Das Rotkehlchen kam nun zur Lichtung geflogen, wo der alte Hase wohnte. Bei Sonnenaufgang wurde der alte Hase wach und wartete auf das Rotkehlchen, um mit ihm gemeinsam zu frühstücken. "Was würde ich nur ohne dich tun?", lächelte er.

Dann kam eine stürmische Winternacht. Erbarmungslos brauste der Wind durch den Wald. Die Bäume beugten sich tief zur Erde; einige brachen mit lautem Krachen. In großen Flocken fiel der Schnee. Bald war die Welt von einer dicken weißen Decke umhüllt. 

Tief unten in seinem Bau konnte der alte Hase nicht schlafen. Er sorgte sich um das Rotkehlchen. Hatte der Schneesturm ihm vielleicht etwas angetan? Hatte es vielleicht sein Zuhause verloren?

Im ersten Morgenlicht lief der alte Hase nach draußen. Vielleicht wartete das Rotkehlchen dort schon auf ihn? Nein, weit und breit war kein Rotkehlchen zu sehen! Wo mochte es sein? Warum war es nicht gekommen? Vielleicht brauchte es Hilfe? Der alte Hase beschloss, seinen kleinen gefiederten Freund zu suchen.

Schwerfällig lief der alte Hase durch den tiefen Schnee. Endlich fand er die Tanne, in der das Rotkehlchen gewohnt hatte. Doch sie lag im Schnee; der Sturm hatte sie umgeworfen und die Wurzeln aus dem Boden gerissen. "Rotkehlchen!", stieß der alte Hase hervor. "Wo bist du?" Doch als er die Zweige der Tanne durchsuchte, fand er nur ein leeres Nest.

Verzweifelt ließ sich der alte Hase in den Schnee fallen. Da hörte er einen leisen Gesang. "Rotkehlchen!", rief der alte Hase glücklich. "Ich fürchtete schon, ich hätte dich im Sturm verloren!" So schnell es konnte, flog das Rotkehlchen auf seinen alten Freund zu. "Alles ist gut", sagte der alte Hase zärtlich. "Du kannst zu mir nach Hause kommen. Ich werde deine Tanne nah bei mir einpflanzen, damit auch du wieder ein Zuhause hast."

Bald würde es dunkel werden. Die letzten Sonnenstrahlen setzten rote Tupfer in die weiße Schneelandschaft. Mühsam stapfte der alte Hase mit der kleinen Tanne durch den tiefen Schnee. Das Rotkehlchen saß sicher auf seiner Schulter.

Zu Hause steckte der alte Hase die Tanne fest in den Schnee und half dem Rotkehlchen, in ihren Ästen ein neues Nest zu bauen. 

Jeden Tag trällerte und sang das Rotkehlchen für den alten Hasen. Und wenn nachts der Mond hell auf der Lichtung schien, tanzte der alte Hase manchmal ein wenig dazu.

Der alte Hase und das Rotkehlchen, Elizabeth Baguley und Tina Macnaughton

On a glade at the edge of a forest there lived an old rabbit. In former times he used to like to dance in clear moonlight, but meanwhile his coat turned grey and his bones hurt. That's why he stopped dancing. Each time the moon shone, he sat on his small bench, let his eyes wander around and dreamed of what was once.

Every day the old rabbit went into the woods and fed the little brown birds. They chirped with joy. Their joyful singing reminded the old rabbit of dancing and sometimes he swayed back and forth to their melodies.

One morning a foreign bird with a bright red chest flew into the woods. "What a cute little robin", the old rabbit laughed.

Icy cold autumn storms swept across the land and whipped off all the colorful leaves. The birds got cold. They set off for their long journey south and their songs sounded like goodbye. "I will miss you", the old rabbit sighed.

Suddenly he cocked his ears. A song! A joyful song came from the woods. That was a bird's song! The old rabbit ran to the fir, as fast as his feet would carry him. The bright red chest of the robin shone from afar. The robin warbled a song, which sounded warmly like summer. "My robin", the old rabbit was pleased. "You didn't fly away!" So the robin continued singing even brighter and more joyfully. The old rabbit felt the music in his old bones and carefully he turned in circles. "You make an old rabbit suddenly feel lively again", he said laughing.

Again he returned to the woods every day, this time to feed the robin and dance a little.

With winter frost came along. The forest's soil froze and the cold went bone-deep, so walking became difficult for the old rabbit. So they changed their habits: from now on the robin flew to the glade, where the rabbit lived, every day. At sunset the old rabbit awoke and waited for the robin in order to have breakfast together. "What would I do without you?", he smiled.

Then a stormy winter's night came. Mercilessly the storm roared through the woods. The trees bowed to the ground; some even cracked noisily. Heavy snow fell. Soon the world was covered in deep snow. 

Deep down in his burrow the old rabbit found no sleep. He worried about the robin. Did the snow storm do any harm to the robin? Did it loose its home?

In the first morning light the old rabbit ran outside. Maybe the robin already waited for him? No, far and wide no robin in sight! Where could it be? Why didn't it come? Maybe it needed help? The old rabbit decided to search for his little feathered friend. 

Slowly the old rabbit made his way through the deep snow. Finally he found the fir, where the robin used to live. The fir lay in the snow; it was thrown down and uprooted by the storm. "Robin!", the old rabbit screamed. "Where are you?" But when he searched the fir's branches, he only found the empty nest. 

Desperately he let himself fall into the snow. Suddenly he heard a quiet song. "Robin!", the old rabbit called happily. "I was afraid of losing you in the storm!" As fast as possible the robin flew to the old rabbit. "All is good", the old rabbit tenderly said. "You may come to my home. I will place the fir near to my home, so you will have a home again."

Soon it would get dark. The last sunlight colored the white snowscape with red dots. With lots of effort the old rabbit dragged the fir through the deep snow. The robin sat safely on his shoulder.

At home he put the fir into the snow and helped rebuilding a nest in its branches.

Each day the robin sang for the old rabbit. And on moonlit nights the old rabbit sometimes danced a little to his songs.

The Old Rabbit And The Robin, Elizabeth Baguley und Tina Macnaughton